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Das Jahr 1510 - Ilverich

  • Erstellt von Joke Eikenaar
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Am Fähranleger standen zwei einfache Holzbänke für die wartenden Fahrgäste. Obwohl Ties keine Absichten hegte, den Fluss zu überqueren, freute er sich über eine Sitzgelegenheit in der Sonne. Der Fähranleger war leer, also nahm er niemandem den Platz weg.

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Ein Schatten fiel auf seine Füße. Ties blickte auf. Vor ihm stand ein junger Mann, der ihn ansah. Der Bursche war wie ein Kaufmann gekleidet, und doch schien er viel zu jung dafür zu sein. Er schaute ertappt, als sich ihre Blicke trafen. Dann lächelte er breit und kam näher. „Wartest du auch auf die Fähre, Spielmann?“ Ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr er fort. „Ich muss auch auf die andere Seite. Ich bin auf Burg Kaiserswerth eingeladen.“ Ties sah zu dem rechteckigen Bauwerk auf der anderen Rheinseite hinüber. Er kannte die Geschichten, die man sich erzählte. „Von wem wurdest du eingeladen?“, fragte er den Jungen neckisch. „Von Gouverneur Wolff-Metternich? Das Schloss steht doch so gut wie leer.“

Der junge Kaufmann wurde rot im Gesicht, fasste sich jedoch schnell wieder. „Für einen reisenden Spielmann scheinst du die Gegend gut zu kennen.“, sagte er. „Du dachtest wohl, du könntest mich beeindrucken? Aber warum?“, fragte Ties, „Du bist doch kein Kaufmann, oder etwa wohl?“ „Du hast Recht. Ich würde gerne einer werden, aber meine Herkunft macht es mir nicht leicht. Deshalb achte ich auf mein Benehmen und meine Haltung. Ich halte ein Schätzchen mit den Menschen, versuche ihr Vertrauen zu gewinnen und einzuschätzen, was sie bewegt. Darauf gehe ich ein und probiere, sie für mich einzunehmen. Mit der passenden Kleidung ist schon viel gewonnen. Wenn die Menschen denken, dass man reich ist, stehen einem alle Türen offen. Deshalb habe ich mein erstes Geld für diese Kleidung ausgegeben. Sozusagen als Investition. Ich komme aus einer Familie von Tagelöhnern. Meine Vorfahren hatten keine Chance aufzusteigen. Heutzutage ist das anders. Bei der Hanse kann man es weit bringen, vor allem, wenn man klug ist und sich gut ausdrücken kann.“ „Darf ich dir einen Rat geben?“, fragte Ties. „Vertrauen lässt sich nur langsam aufbauen, aber schnell wieder verspielen. Erzähl keine Lügen, um Eindruck zu schinden.“

Erstellt von Joke

Joke Eikenaar ist Illustratorin und Schriftstellerin und lebt in der Nähe von Zwolle. Geschichte ist ihre Leidenschaft. Besonders fasziniert ist sie von der Geschichte der niederländischen Länder. Für ihre historischen Romane und Geschichten recherchiert sie mit viel Liebe.