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Das Jahr 1497 - Kekerdom

  • Erstellt von Joke Eikenaar
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Ties nackte Füße stapften über den sumpfigen Deich. Seine Hosenbeine waren durchnässt. Seine neuen Lederpantinen hatte er vorsichtshalber ausgezogen.

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Auf der rechten Seite stand das Wasser bis zum Deichrand, das Ackerland auf der linken Seite war überflutet. An den vielen kleinen Seen und Pfützen war zu erkennen, dass der Deich nicht standgehalten hatte. Auf einer Flussdüne rechts vom Deich stand die Kirche von Kekerdom. Das Gebäude war trocken geblieben, doch der Weg dorthin stand unter Wasser. Ties lief weiter und sackte bis zu den Waden ein. Er fluchte. „Alles in Ordnung, Herr Spielmann?“, rief jemand von der Kirche her. Es war der Pfarrer, der in einem kleinen Boot saß.

„Ja schon, aber dieser Deich ist einfach nutzlos“, sagte Ties mürrisch. „Das haben wir unserer Lage zu verdanken“, antwortete der Pfarrer. „Manchmal gehören wir zum Herzogtum Kleve, dann zum Herzogtum Geldern, und nun wieder zu Kleve. Jeder will das Gebiet besitzen, aber niemand kümmert sich um die Instandhaltung der Deiche. Scheinbar ist unsere entlegene Gegend recht uninteressant für Kaufleute, weshalb kein Geld in die Deiche investiert wird.“ „Kommt es hier häufig zu Überschwemmungen?“, wollte Ties wissen. „Jedes Jahr mindestens einmal. Man nennt die Region auch Düffel, also Teufelsland. Aber gut, man lernt, damit zu leben. Schließlich hat das Wasser auch seine guten Seiten.“ „Wie zum Beispiel?“ „Flusslehm für unsere Backsteine, fruchtbare Böden und jede Menge Schilf. Das ist genug, um dankbar zu sein.“ „Mir erscheint es dennoch sehr lästig.“ „Ach, es gab schon schlimmere Zeiten. Vor 20 Jahren stand das Wasser so hoch, dass die Bänke aus der Kirche geschwemmt wurden. Damals hat sich sogar Sophia van Bylandt mit dem Ruderboot hierherfahren lassen, um den Schaden mit eigenen Augen zu begutachten.“

„Wer?“ „Das Freifräulein von der Doornenburg. Bei gutem Wetter kann man die Türme auf der gegenüberliegenden Flussseite sehen.“ „Kam sie nur, um sich das Hochwasser anzusehen, oder hat sie auch etwas unternommen?“ Nachdem der Pfarrer einen Augenblick geschwiegen hatte, erklärte er Ties: „Manche Adelige meinen es gut mit dem einfachen Volk, Spielmann. Sophia ist ein guter Mensch. Sie hat, wie einige andere Adelsdamen, ein Stundenbuch anfertigen lassen. Die Gebete darin wurden wunderschön illustriert. Sie hat es nicht getan, um ihren Reichtum oder ihre Frömmigkeit zu demonstrieren, sondern weil sie aufrichtig versucht, rechtschaffen zu leben.“

Erstellt von Joke

Joke Eikenaar ist Illustratorin und Schriftstellerin und lebt in der Nähe von Zwolle. Geschichte ist ihre Leidenschaft. Besonders fasziniert ist sie von der Geschichte der niederländischen Länder. Für ihre historischen Romane und Geschichten recherchiert sie mit viel Liebe.