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Das Jahr 1493 - Nördlich von Elburg

  • Erstellt von Joke Eikenaar
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Bim, bam, bim, bam… Ties hielt inne und lauschte. Der Wind trug den Klang der Kirchenglocken über den Deich. Wenn er seine Ohren spitzte, konnte er auch etwas Musik hören. Eine Trompete vielleicht.

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„Sie empfangen das Schiff, das heute zurückkommt“, hörte er eine Stimme hinter sich sagen. Überrascht drehte sich Ties um. Er sah einen alten Mann, der auf einem Stock lehnte. „Das Schiff kommt zurück“, wiederholte Ties leise. „Ja, unsere Elburger Schiffer kehren aus Falsterbro zurück. Das ist ein Handelsposten im Öresund. Während ihres einjährigen ufenthalts handeln sie mit Hering. Im Dezember dürfen sie dann die Heimreise antreten, um hier Weihnachten zu feiern. Leider können wir in Elburg keinen eigenen Hering fangen, da das Wasser hier zu süß ist. Und dennoch leben wir hervorragend von dem Fisch. Und von dem, was wir selber fangen.“

Ties nickte gedankenverloren. Der alte Mann schien nicht wirklich mit ihm zu reden, sondern mehr mit sich selbst.„Der Hansebund ist ein wahrer Segen für Elburg, mein Herr. Es wurde sogar ein Hafen gebaut. Sie können ihn von hier aus sehen. Erkennen Sie die lange Rinne und den Hafendamm, der weit in die Zuiderzee hineinführt? Ich habe bei den Grabungsarbeiten geholfen. Damals, vor 50 Jahren, als ich noch ein junger Bursche war. Der Kanal ist 2000 Meter lang. Man fährt darauf direkt auf das Stadttor Vischpoort zu, begleitet vom Hafenlicht.“ „Warum ist er so lang?“, fragte Ties. „Die Küste von Elburg ist sehr sandig. Tiefliegende Schiffe können nicht nah genug heranfahren, ohne aufzusetzen. Als die Fischerei zunahm, wurden mehr Ankerplätze im tiefen Wasser benötigt. Also wurde eine lange Fahrrinne durch die Sandbank gezogen.“ „Sie waren selbst kein Fischer?“ „Nein. Ich war Zimmermann. Die Hafenrinne musste mit einer Holzspundwand verkleidet werden, um die Tiefe des Kanals zu garantieren. Beim Bau dieser Wand zerbarst eines der Bretter in tausend Splitter. Das kostete mich mein Augenlicht.“

Erst jetzt bemerkte Ties, dass der Mann ihn nicht ansah. Er war blind. „Das ist schlimm“, sagte Ties. „Ach“, lachte der Mann. „Ich hatte Glück, dass ich bei meinem Bruder arbeiten konnte. Hobeln und schleifen kann man auch mit geschlossenen Augen. Und um zu wissen, wie der Hafen von Elburg aussieht, brauche ich keine Sehkraft. Ich sehe die wunderschönen Bilder tagtäglich vor meinem inneren Auge.

Erstellt von Joke

Joke Eikenaar ist Illustratorin und Schriftstellerin und lebt in der Nähe von Zwolle. Geschichte ist ihre Leidenschaft. Besonders fasziniert ist sie von der Geschichte der niederländischen Länder. Für ihre historischen Romane und Geschichten recherchiert sie mit viel Liebe.