Hören Sie...

Das Jahr 1495 - Lathum

  • Erstellt von Joke Eikenaar
  • Lesezeit 5 Minuten
  • 1144 x bekeken

„Jetzt schiebst du ihn hier durch. Vorsichtig! Der Ast darf nicht brechen.“ Unter einem großen Holunderbusch saßen ein Junge und ein Mädchen im Alter von 13 oder 14 Jahren. Sie waren so konzentriert, dass sie Ties nicht einmal bemerkten.

Start Das Jahr 1495 - Lathum

„Guten Morgen zusammen. Klappt es? Was macht ihr da?“ Der Junge schaute auf. Sein Blick fiel auf die Laute, die Ties an seinem Körper trug. „Ich zeige meiner Schwester, wie man eine Flöte macht. Wir wollen zusammen Musik machen. Das verstehst du doch, oder?“ „Natürlich!“, antwortete Ties. „Magst du mir zeigen, wie es funktioniert?“ „Schau, man nimmt einen fingerdicken Ast. Wir brauchen ein schönes gerades Stück. Das weiche Innere wird mit einem dünneren Stock ausgehöhlt. Danach schnitzt du dein Mundstück und machst hier eine Reihe Löcher in das Holz.“ Der Jung strich mit dem Finger über die Rinde. „Und schon kannst du ein Lied spielen.“

„Gute Arbeit!“, lobte ihn Ties. „Du könntest mich glatt begleiten. Kannst du dabei auch singen?“ Der Junge lachte über den Scherz. „Man kann doch nicht gleichzeitig singen und flöten, Spielmann!“ „Ich würde gerne über das Leben singen, so wie du“, sagte das Mädchen. „Stammen die Lieder aus deiner eigenen Feder?“ „Ja, meistens.“ „Wie kommst du auf die Themen?“ „Ich begegne ihnen. So wie neulich in der Nähe von Bahr. Karl von Geldern hat Johann dem Dritten von Egmond die Burg Bahr abgerungen und lässt sie nun aus Rache bis auf den letzten Stein abreißen.“

Der Junge lachte. „Ich habe noch eine weitere Familienfehde für dich. An dieser Straße, gleich hinter der Kurve, liegt die Burg Lathum. Dort lebte vor 30 Jahren die Herrin Oda. Sie ließ sich von ihrem Vater nichts sagen. Zweimal heiratete sie gegen seinen Willen. Beide Ehen brachten zwei Töchter hervor. Als sie verstarb, stritten sich ihre Kinder um das Anwesen. Der Schwächling von Vater hatte den Streit vorhergesehen, doch Oda wollte nicht auf ihn hören.“ „Ich finde nicht, dass er ein Schwächling war.“, sagte das Mädchen bestimmt. „Er war ein liebevoller Vater, der die Wünsche seiner Tochter achtete. Schließlich hat er das Erbe unter seinen Enkelinnen aufgeteilt, ohne jegliches Blutvergießen. Er war gut zu Frauen. Darüber würde ich gerne ein Lied schreiben.“

Erstellt von Joke

Joke Eikenaar ist Illustratorin und Schriftstellerin und lebt in der Nähe von Zwolle. Geschichte ist ihre Leidenschaft. Besonders fasziniert ist sie von der Geschichte der niederländischen Länder. Für ihre historischen Romane und Geschichten recherchiert sie mit viel Liebe.