Hören Sie...

Das Jahr 1492 - Lobith

  • Erstellt von Joke Eikenaar
  • Lesezeit 5 Minuten
  • 1134 x bekeken

Sie sahen gefährlich aus. An ihren kräftigen Beinen klemmten scharfe Metallsporen, die im Licht der Sonne wie tödliche Dolche glänzten. Neugierig schaute Ties über die Schulter eines Zuschauers. So sah also ein echter Hahnenkampf aus. Er hatte schon oft davon gehört, aber noch
nie einen miterlebt.

Start Das Jahr 1492 - Lobith

Vor dem Aufeinandertreffen wurden beide Hähne gewogen. Für einen gerechten Kampf mussten sie ungefähr gleich schwer sein. Danach wurden die Sporen kontrolliert. Inzwischen flatterten beide Vögel wütend aufeinander zu. Lose Federn flogen durch die Luft. Der schwarze Hahn mit den blauen Schwanzfedern hatte bereits eine hässliche Wunde unter dem Flügel. Ties schaute in die Runde. Die anwesenden Männer feuerten die Hähne mit geballten Fäusten an. „Sag mal, mein Sohn.“ Jemand legte eine Hand auf seine Schulter. „Hast du auf einen Hahn gewettet? Hast du deinen Einsatz bezahlt? Nicht? Dann zieh Leine!“ Der Mann schubste ihn aus dem Kreis. Ties blieb einen Augenblick lang unschlüssig stehen, doch dann sah er den Zahlmeister, der das Einsatzgeld verwaltete und den Gewinnern ihren Anteil auszahlte. Der Mann saß ein Stück entfernt und war damit beschäftigt, die nächste Runde vorzubereiten. Doch irgendetwas schien nicht zu stimmen.

„Wieso nimmst du es nicht an? Es ist gutes Geld! Ich habe es ehrlich verdient!“, schnaubte der Mann. „Die Farbe ist seltsam“, sagte der Zahlmeister skeptisch. „Das Gewicht stimmt, doch ich trau‘ dem Braten nicht.“ Er hielt eine dunkle Münze hoch. „Hier in Lobith kommen doch viele fremde Münzen an! Du kannst sie unmöglich alle kennen. All diese Hansekaufleute aus fernen Städten, die ihren Zoll mit weit gereistem Geld bezahlen … Du kannst mir nicht erzählen, dass du alle Münzen kennst!“ „Ich werde sie mit dem Prüfstein testen“, sagte der Zahlmeister ruhig. „Wenn sie nicht hell genug klingt, dann werde ich das Geld nicht annehmen. Und wenn du Ärger machst, dann rufe ich den Spielmeister. Er wird herausfinden, woher das Falschgeld stammt. Ich hoffe für dich, dass du die Münze nicht eigenständig gefälscht hast. Du weißt doch, was sie mit Münzfälschern machen, oder? Sie werden in einen Kessel geworfen und in heißem Öl gekocht.“ „Gib sie schon zurück!“, brummte der Mann. „Ich bezahle mit etwas anderem.“ Beim Hahnenkampf ertönte Jubel. Es schien einen Gewinner zu geben.

Erstellt von Joke

Joke Eikenaar ist Illustratorin und Schriftstellerin und lebt in der Nähe von Zwolle. Geschichte ist ihre Leidenschaft. Besonders fasziniert ist sie von der Geschichte der niederländischen Länder. Für ihre historischen Romane und Geschichten recherchiert sie mit viel Liebe.